Eine zweiundzwanzigste Antikrise, oder: Viento norte…

Der Paranoiker ist noch immer selig!

Nach fast fünfmonatiger Tangoabstinenz stand ein Tangofestival an der Ostsee an, an dem teilzunehmen er sich vor langer Zeit – nach so vielen Wochen ohne Tango konnte er sich gar nicht mehr erinnern, warum überhaupt – entschlossen hatte.

Symptomatisch war dann der Verlauf des langen Wochenendes:

Früh klingelte der Wecker – warum tut sich der Paranoiker das an?

Acht Stunden Autobahn – warum tut sich der Paranoiker das an?

Eisiger Wind fegt (nicht von Norden, wie der Festivalstitel nahelegt, nein, aus dem Osten kommt er), die See aufgewühlt und grün (na klar, bei dem Seegang wird es wahrscheinlich sogar den Fischen schlecht, was den Farbton erklären dürfte…) – warum tut sich der Paranoiker das an?

Am nächsten Morgen treibt der Schneeregen waagerecht vor dem Fenster, beim Frühstück pfeift der Wind und rüttelt an den Fenstern; frierend kämpft sich der Paranoiker durch den Ort, Sand in den Haaren, Salz auf der Brille, nur kurz durch leckeren Kaffee und einen Besuch in der Bonbonkocherei Hinrichs mit seinem Schicksal versöhnt – warum tut sich der Paranoiker das an?

Mittags dann die erste Milonga – und die Antikrise nimmt ihren Lauf: der Paranoiker ist angekommen und hat die Antwort auf die obige Frage und denkt sich nur: Wow!

Drei Tage am Stück, einfach nur ‚wow‘!

Und das Beste: dieses Gefühl hält bis heute, den Tag, an dem er diese Zeilen schreibt, an! Und dies trotz ewig langer Heimfahrt, auf der dann auch noch der Auspufftopf die Autobahn kurz nach Hannover küsste, trotz mehrerer inzwischen absolvierter Arbeitstage, trotz der anhaltend unwirtlichen Kälte… der Paranoiker schwebt und hat den Tango im Ohr…

…und fragt sich natürlich: wieso ist das so? Lag es an der Sogwirkung der Musik, die über eine unerwartet gute Anlage so wunderbar von tollen TJ’s aufgelegt wurde? Daran, daß viento norte so perfekt und wunderbar organisiert war (danke übrigens, Sylvia und Jürgen!)? Daran, daß so unglaublich entspannte und sympathische Menschen daran teilgenommen haben? Daran, daß ein wunderbarer Tanzfluß da war und dem Paranoiker nichts, aber auch nichts einfallen will, worüber er sich auch nur ansatzweise ärgern konnte (was ansonsten ja eigentlich schon Grund genug dafür wäre, sich zu ärgern…)?  Daran, daß er gleich auf der ersten Milonga die schönste Tanda seines bisherigen Tangodaseins tanzen durfte (auch wenn er sich wahrscheinlich nie mehr trauen wird, mit dieser Tanguera zu tanzen, da es einfach zu schön war, als daß dies wiederholbar sein dürfte – immerhin hat er jetzt die Antwort darauf, was eigentlich in den Tänzerinnen und Tänzern vorgeht, die oft nach einem Tanz mit einem seligen Lächeln, daß oft nur operativ wieder entfernbar scheint, dasitzen… der Paranoiker hätte wohl auch im Kreis gegrinst, hätte er keine Ohren, die dies verhinderten…)?

Eigentlich egal, oder? Was bleibt, ist ein Schweben, aber auch ein Bedauern, denn leider sind solche Veranstaltungen rar gesät, zumal in erreichbarer Distanz… Aber das vergrößert nur die Vorfreude und steigert deren Wert!

Seufz…

2 Gedanken zu „Eine zweiundzwanzigste Antikrise, oder: Viento norte…“

  1. Lieber Krisenmanager,

    uii, so ein netter Kommentar – und das von dir… 😉
    Nun, vielleicht siehst du die Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf dich gerichtet und hälst dich dieserob zurück…
    Ja, auch der Paranoiker ist überrascht ob der Resonanz, die sich in der Statistik widerspiegelt – und er freut sich über Jede/Jeden, die/der sich von der von dir angesprochenen Epidemie befallen lässt!

    Zum Thema Photos: Derer gibt es viele auf facebook zu bestaunen – generell noch besseren Einblick erhält man natürlich, wenn man sich selbst auf eine solch wunderbare Veranstaltung einlässt…

    Und die hier zu lesenden Eindrücke sind natürlich nicht die einzigen, mitnichten!
    Hier der Link zu dem Bericht von Cassiel (fast war der Paranoiker geneigt, ihn als ‚geschätzen Kollegen‘ zu titulieren, aber da ist er dann doch noch zu klein dazu, um sich so etwas herauszunehmen… – dieser Blog lohnt sich für alle, die Tango argentino lieben und schätzen (lernen wollen)):

    http://tangoplauderei.blogspot.de/2013/03/Festival-Bericht-Viento-Norte-Eckernfoerde.html

    Und die Fahrtüchtigkeit? Nun, der Auspuff hat sich ja schon freiwillig weggeworfen… so toll war es um diese wohl nicht bestellt… 😉

  2. Fehlen nur noch ein paar Fotos, auf denen man diese lächelnden Gesichter sieht! Na, ich war ja schon vorgewarnt, als du mir das Tango-Weekend am Telefon erzählt hast – da bist du schon durch das Gespräch hindurchgeschwebt.
    Nun stellt sich mir die Frage, ob man in so einem Zustand noch fahrtüchtig ist?
    Der Blick auf die Statistik dieser Seite lässt außerdem schon den Schluss zu, dass es sich wohl um eine Epidemie handeln muss – vielleicht die einzige, von der man gerne befallen werden möchte!

    Euer Krisenmamager

Kommentare sind geschlossen.