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Evangelii Gaudium

Es gibt sie, die klugen Köpfe, und zwar in allen gesellschaftlichen Gruppierungen. Dort vertreten und interpretieren sie ihre Sichtweise der Welt und ihrer doch stark verzweigten Abhängigkeiten. Meistens haben sie dabei hauptsächlich ihre eigenen Interessen im Sinn und entwickeln die dafür nötigen „blinden Flecken“, die sie brauchen, damit sich alle anderen ändern müssen nur sie selbst aber nicht.reiner 07
Dieser Vorgang vollzieht sich auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten auf allen Kontinenten dieses Planeten  – will heißen bei den Oligarchen und den Patriarchen, bei Eheleuten und großen und kleinen Chefs und wenn es wirklich wahr ist auch bei mir selber. Er zieht sich auch durch alle mehr oder weniger dogmatischen Gruppierungen hindurch – so findet man es bei den globalen Industrien und in der Finanzwelt als auch bei den Esoterikern, bei Christen, Muslimen als auch bei Agnostikern – wohl weil es so menschlich und bequem ist und es uns selber gut geht, wenn wir Recht haben und unsere Meinung deshalb nicht ändern müssen.

Doch interessant wird es, wenn aus so einer Peergroup mal einer ausbricht und seine Ansicht nicht mehr dem entspricht, was die breite Öffentlichkeit erwartet – wenn also auch unbequeme Ansichten frei geäußert werden. Wenn mir als, hoffentlich nicht einzigem Fan des 2009 verstorbenen  Thomas Berry, etwas imponiert, dann ist das genau so etwas, wie die Punkte 50 – 60 aus dem zweiten Kapitel des Evangelii Gaudium, verfasst vom aktuellen Pabst Franziskus.

Er schreibt zwar, dass die vollständige gesellschaftliche Analyse nicht die Aufgabe des Papstes sei – doch liefert er dann genau das bisschen Analyse, vor der sich die Päpste bisher gedrückt haben – wohl aus Rücksicht auf die herrschenden Schichten dieser Welt.
Was bisher in offiziellen katholischen Texten bestenfalls zwischen den Zeilen mühsam hinein zu interpretieren war, steht hier als Klartext, mit der Aufforderung zur Umkehr, zur Selbstkritik und der Einführung der Ethik.

Aus diesem Grund bekunde ich hier zum ersten Mal in meinem Leben einem Papst meine Hochachtung und stelle die ewähnten Passagen auf der Download-Seite der MiesenKrise zur Verfügung – den Link zum vollen Text gibt es ja schon auf der Startseite!

Wir Menschen brauchen immer wieder andere Menschen, die uns helfen unsere blinden Flecke zu erkennen – möge der Papst Franziskus damit in seinem Krämerladen und den anderen Läden dieser Welt damit bitte, bitte sehr erfolgreich sein!

Euer Renaldo

 

Earth 3.1 “Die andere Seite” – Teil 7 – Finale

.. und vergesst nicht, zum besseren Verständnis, die vorangegangenen Teile zu lesen! Zu finden in der Kategorie
"Renaldos Welt"  aufgereiht wie am Schnürchen!


Teil 7: Finale



AL00 sah, wie JW00 in dem geheimen Durchgang verschwand. Er würde nun in weniger als 2 Minuten den kleinen Konzertsaal finden, in dem sich heute fast alle Mitglieder des TTB-Movements versammelt hatten um die Musik, gespielt im Geiste Thomas Berrys, zu hören und um das Wissen in eine höhere spirituelle Ebene zu transformieren. Ein Aspekt, den leider jede Regierung der Ökodekaden bisher entweder vernachlässigt oder sogar abgelehnt hatte.


AL00 atmete tief durch – sie spürte die Gewissheit, dass sich JW00, wenn die Wogen der Musik ihn erfassten, ihm die Essenz der Erfahrung offenbaren würde. Er würde innehalten und sein Bewusstsein würde die Erhabenheit aufnehmen, die von der puren und ursprünglichen Energie der Musik ausging. Seine spontane Ergriffenheit würde ihn zweifellos zu einem Gesinnungsgenossen und Verbündeten machen. Das war der Plan!
Doch jenseits dieser Vorstellung, deren Naivität sich AL00 sehr wohl bewusst war, schließlich war sie auch eine kühl kalkulierende Energie-Inspektorin, die einige entsprechende Trainings absolviert hatte, gab es noch ein kleines Pfand in ihrer Faust – eine Karte, die sie ohne zu zögern ausspielen würde. Wenn sich JW00 also wirklich der Magie der Rockmusik entziehen sollte, dann würde sie ihm mit der Enttarnung seines Universal-Dekoders drohen. Das würde seiner Karriere als Energie-Inspektor ein jähes Ende bereiten oder es gäbe eben einen Deal…



All diese Gedanken schossen in Sekundenbruchteilen durch die Windungen ihres Gehirns. Sie war drauf und dran hinter JW00 durch die Wand zu gehen, als sie hinter sich schnelle Stiefelschritte und Stimmen hörte. Ihr Schrecken war so groß, dass Sie aufhörte zu denken. Doch Sie war bereit, bereit Alles und Jeden auf zu halten, wer auch immer versuchen sollte das Konzert zu stören. Sie würde ihr Leben geben um die Gruppe zu schützen.


Doch zunächst war das gar nicht nötig. An der nächsten Kreuzung sah sie den Gleiter des VB stehen und nur wenige Meter davon entfernt, nahm sie aus dem Augenwinkel war, wie ein paar Männer in Uniform den Schalt-und Kontrollraum der Anlage 3212 betraten.


Nun explodierten die Gedanken in AL00s Kopf. Egal was der Vorbeugende Brandschutz hier tat, es konnte nichts Gutes bedeuten und sie musste es verhindern. Zumindest ihr persönliches Schicksal, das der Gruppe und auch das JW00s standen hier auf dem Spiel, wenn es nicht sogar um sehr viel mehr ging.


Zu allem entschlossen hastete sie hinter den Männern her und war im Kontrollraum, bevor die Tür hinter den VB-lern zufallen konnte.



IK01 öffnete langsam die Tür des Gleiters. Was sie soeben gesehen hatte, war mitnichten Teil ihres Planes. Doch egal was der Hohlkörper von Energie-Inspektorin jetzt tun würde, sie selbst würde persönlich dafür sorgen, dass es unerheblich sein würde für das weitere Geschehen.


Die Sprengung des kompletten Sektors 2312 würde auf jeden Fall stattfinden. Variabel war für sie nur die Anzahl der Energie-Inspektoren unter den Opfern und diese Zahl war gerade um einen Zähler gestiegen.


Sie stellte ihren Elektro-Schocker auf maximale Leistung und entsicherte ihn. Dann ging sie in Richtung Schaltzentrale.


Aus der offenen Tür hörte sie ein krachendes Geräusch, als würde etwas großes und schweres zu Bruch gehen. Als sie die Türe fast erreicht hatte segelte einer ihrer Männer mit dem Kopf voran aus dem Raum, klatschte mit dem Gesicht auf den Boden und blieb regungslos liegen.


Sie hob den Elektro-Schocker, den Finger am Abzug und als ein Schatten aus dem Kontrollraum huschte drückte sie ab. Der Schocker versendete seine tödliche Spannung, Funken sprühten und ein Spannungsblitz blendete sie für den Bruchteil einer Sekunde. Dann sackte der schwere Körper von MB01, einem ihrer besten Männer, leblos zu Boden.


IK00 drehte sich zur Seite und drückte auf die Ladetaste des Schockers. Das war genug Zeit für AL00, die dem Mann gefolgt war, einen kurzen harten Kick mit dem Fuß auf die Kehle von IK01 auszuführen, gefolgt von einem Ellbogencheck aufs Herz und einem zusätzlichen Fausthieb auf das Jochbein. Teil eins und zwei der Schlagfolge waren direkt im Lehrbuch nach zu lesen und hart genug um einen großen und schweren Mann zu töten. Der Fausthieb dagegen war ein Ausdruck unfassbarer Wut und Erregung.



Dann lief sie in Richtung Konzertsaal. Vielleicht gab es ja noch ein Chance, wenn sie nur schnell genug war! Sie hatte nach wie vor keine Ahnung, was der VB hier für ein Spiel spielte. Die Männer hatten im Kontrollraum einen Apparat an eine Leitung angeschlossen und eine Zeitschaltuhr aktiviert. Demnach blieben ihr weniger als 5 Minuten – egal für was!



IK01 hustete, ihr linkes Auge war fast zugeschwollen und sie rang nach Atem. Röchelnd stützte sie sich auf die Ellenbogen und stemmte sich hoch. AL00 war schon so gut wie tot, das war beschlossene Sache. Jetzt musste aber als erstes ihr Plan gestartet werden. Sie schleppte sich in den Schaltraum, wo zwei weitere ihrer Männer am Boden lagen. Die Schaltung lief – in wenig mehr als vier Minuten würde der Sektor 2312 vernichtet werden. Sie musste schnell zurück und sich mit dem Gleiter aus der Gefahrenzone begeben.



Im Konzertraum endete gerade die zweite Nummer der Band mit dem Refrain der Sängerin: „Rock`n Roll Will Never Die“, und alle sangen mit.


JW00 stand neben der Bühne und war im Begriff den Stecker zu ziehen, der dem hier stattfindenden Gesetzesbruch die nötige Energie verschaffte und den er, Energie-Inspektor der Ökodekade II, hiermit für immer beenden würde.


Doch soweit kam es nicht. Seine Kollegin Energie-Inspektorin AL00 stand auf einmal, in ziemlich mitgenommenem äußeren Zustand, auf der Bühne, hielt das Mikrophon in der Hand und schrie: „Liebe Freunde, der VB ist hier, irgendwas stimmt nicht und wir müssen alle…“


In diesem Moment war der Strom weg und es wurde finster. Doch irgendjemand hatte verstanden um was es hier ging und geistesgegenwärtig den alten Durchgang zur Abfallsammelstelle geöffnet. Nun rannten alle, von Panik ergriffen in Richtung dieses schwachen Lichtschimmers, während das Gebäude von mehreren kurz aufeinander folgenden entfernten Explosionen erschüttert wurde. Als nächstes explodierte, ganz nah, die selbst gebaute Brennstoffzelle mit lauten Zischen, eine Kaskade von Stichflammen von sich gebend. Trümmer waren überall in der Luft und begruben einige Gruppenmitglieder unter sich. Dann stürzte die Decke ein und verschlang den Rest in Staub, Flammen und Rauch.



JW00 stolperte hinter AL00 einen Gang entlang, umringt von wenigen Gruppenmitgliedern, die es noch zum Durchgang zur Abfallsammelstelle geschafft hatten. Hinter ihnen brachen die Wände weg, als wären sie aus Pappe. Alle rannten verzweifelt um ihr Leben. Dann wurde alles um ihn herum schwarz.



Endlos lange Zeit später spürte er Schläge auf seinem Gesicht. Immer wieder wurde er geschlagen aber es war so weit weg, dass er es lediglich zur Kenntnis nahm, dann spürte er den Schmerz und später, viel später hörte er die Stimme.


Doch sie war weit weg, so weit weg, dass sie nicht ihn meinen konnte, mit ihm hatte das alles hier nichts zu tun. Doch die Stimme wurde lauter, deutlicher. Er kannte diese Stimme. Er erkannte sie – es war die Stimme von AL00. Was wollte die denn schon wieder von ihm?
Er dachte: „Lass mich in Ruhe, ich will schlafen.“ Doch die Stimme wurde immer lauter und schließlich verstand er auch, was die Stimme sagte. Er wollte antworten, doch es kam nur ein Röcheln aus seiner Kehle.


AL00 drehte ihr rußverschmiertes Gesicht hinüber zu RW00 und seufzte erschöpft: „Na, Thomas Berry sei Dank, der Scheißkerl lebt!“


 


Aber auch wenn wir nun unseren Übergang in das neue Zeitalter vollziehen, müssen wir doch bedenken, dass diese Momente der Gnade vergängliche Augenblicke sind. Die Transformation muss sich in einer kurzen Zeitspanne vollziehen. Ansonsten schwindet die Möglichkeit für immer. In der unermesslichen Geschichte des Universums, das so viele gefahrvolle Übergangsmomente erfolgreich überwunden hat, lassen sich Anzeichen erkennen, dass das Universum eher für als gegen uns arbeitet. Wir müssen diese Kräfte lediglich bündeln, um schließlich erfolgreich zu sein. Obwohl der menschliche Drang, diese Bahn zu durchkreuzen, niemals unterschätzt werden darf, ist es doch schwer anzunehmen, dass die weiter reichenden Ziele des Universums oder des Planeten Erde letztlich vereitelt werden können.“


(Thomas Berry, „Das Wilde und das Heilige“ 1998 „Kapitel 16 „Die vierfache Weisheit“)

 



The End

Earth 3.1 “Die andere Seite” – Teil 4

„Ja, mir ist bewusst, dass ich wohl ein bisschen geschludert habe. Aber haben nicht auch erfolglose und mindertalentierte Autoren das Recht auf ein bisschen Privatleben.“
Das sagte mir Renaldo, als ich ihn fragte, warum er am vorletzteten Wochenende die angekündigte Fortsetzung der Earth 3 – Saga nicht veröffentlicht hatte. Er gelobte Besserung und so kann die MieseKrise auch mal mitten unter der Woche einen neuen Teil präsentieren! (02.12.12)

Viel Spaß wünscht Euer Krisenmanager

und vergesst nicht zum besseren Verständnis, die vorangegangenen Teile zu lesen!

Teil 4

 

Auf Grund des Internet wird das Ausmaß menschlicher Handelsaktivitäten ohne Reise und physikalische Präsenz an einem bestimmten Ort immer weiter zunehmen – trotzdem wird dies die Müllberge, verschmutzten Gewässer, unfruchtbaren und erodierten Böden, zerstörten Wälder, die durch Abholzung, giftige Chemikalien, radioaktive Abfälle ruiniert sind, und die dünn gewordene Ozonschicht nicht beseitigen bzw. wiederherstellen. Wir bemerken dies alles und stellen diese Chemikalien doch weiterhin her, holzen die Wälder bis zum Kahlschlag ab, verschmutzen das Wasser, häufen enorme Abfallberge auf und trocknen fruchtbare Feuchtgebiete aus. Wir tun das sogar noch, obwohl die industrielle Blase längst geplatzt ist. Das Ende der auf dem Ölverbrauch basierenden Ökonomie steht uns vor Augen. Trotzdem beharrt die Welt der Industrie und Finanzen darauf, dass dies der einzige Weg sei, um zu überleben.“

(Thomas Berry, „Das Wilde und das Heilige“ 1998 „Kapitel 15 „Die Wege der Zukunft“)

 

AL00 war nicht ganz bei der Sache. Thomas Berry mochte ja recht haben und es verwunderte sie immer wieder aufs Neue, dass ein derartig hellsichtiger Geist erst lange Jahre nach seinem Tod ernst genommen wurde, doch ihr gingen gerade andere Dinge durch den Kopf.

Ihre Beobachtung der Aktivitäten des Energie-Inspektors JW00 dauerte nun schon mehrere Wochen an, doch sie konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen, was dieser Mensch vorhatte. Die Daten des Energiewächters belegten zwar eindeutig, dass JW00 den Fall Sektor 3212 offiziell abgeschlossen hatte. Allerdings erst nachdem er die Technikerbande dorthin gehetzt hatte. Die hatten aber leider nichts feststellen können.

Sie musste grinsen, denn das war ihr Beitrag zum Spiel gewesen. Sie hatte es gerade noch geschafft RW00 zu informieren. So konnten alle Anlagen, die Energie abgezapft hatten, deaktiviert und abmontiert werden und der selbst gebaute Energietank der Gruppe wurde nun über eine versteckte Weiche, zusammen mit den offiziellen Tanks über die Tretmühle der Anlage 3212 gespeist. Und alle aus der Gruppe strampelten fleißig, wie es brave Bürger dr Ökodekade II nun mal so tun.

Die Energietanks waren bei der Kontrolle also alle sauber gewesen und seither hatte es keine weiteren Spannungsschwankungen mehr gegeben. Die Gruppe war nach dieser Überprüfung allerdings zur Sicherheit erst mal in eine selbst verordnete Ruhephase übergegangen und das würde so bleiben, bis JW00 endlich abzog.

 

Warum zum Teufel verbrachte JW00 immer noch fast seine gesamte Arbeitszeit und einen beträchtlichen Teil seiner Freizeit im Technikraum der Wohneinheit? Zu allem Überfluss verschaffte er sich den illegalen Zutritt zur Schaltzentrale der Anlage ganz offensichtlich mit einem geheimen Dekoder, dessen Teile JW00 dummerweise ausgerechnet ihr vor die Füsse geworfen hatte. Hielt er sie wirklich für so dumm, dass sie nicht wusste, was sie da gesehen hatte?

Oder, anders gefragt, was wusste er darüber hinaus noch, das ihn dazu motivierte sich im Sektor 3212 weiterhin herum zu treiben.

 

Sie gab alle Daten in ihr persönliches Informationssystem ein und sortierte sie übersichtlich auf ihrem Homescreen. Ihre Anlage war durch einen Trick vom Hauptsystem unabhängig gemacht worden – ein Abgleich mit dem zentralen Server, sonst Standard bei allen Homescreens, hätte wohl das Ende ihr Karriere bedeutet.

Sie blickte auf die Daten der beiden ungleichen Brüder:
Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen JW00 und RW00 waren in dieser Geschichte wohl eher Zufall und somit zu vernachlässigen. Natürlich war sie aus allen Wolken gefallen, als besagter JW00 gerade aus RW00s Tür kam, während sie schnaufend am Treppenabsatz erschien. Sie war alles andere als unsichtbar gewesen in diesem Moment. Zum Glück war JW00 gedanklich wohl ziemlich weit weg und hatte konzentriert zu Boden geblickt, was ihr die Zeit gegeben hatte, wie ein Blitz um die Ecke zu schießen, ohne dass er etwas davon mit bekam.

Ihr Instinkt sagte ihr außerdem, dass JW00 nicht darauf aus sein konnte, seinem eigenen Bruder etwas an zu hängen, sonst hätte er ihm damals nicht den Job in der Algenzuchtanlage beschafft, nachdem RW00 mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. Auch das stand schließlich in den Akten.

Sie spielte kurz mit dem Gedanken zum Chef zu gehen und JW00 und seinen Zauber-Dekoder auffliegen zu lassen. Das würde ihr Punkte bringen, doch was, wenn JW00 doch mehr wusste? Das könnte unter Umständen das Ende der Gruppe bedeuten. Das zu riskieren wäre einfach nur dumm. Sie selbst und über hundert Freunde wären dann auf dem sicheren Weg ins Straflager an der Erdoberfläche.

Es musste eine andere Lösung geben! Nur welche, das wollte ihr partout nicht einfallen.

Was bei allen Überlegungen übrig blieb, war der Risikofaktor JW00. Mit seiner dämlichen Schnüffelei legte er alle Aktivitäten lahm und das seit fast drei Wochen. Der wohnte ja schon fast im Technikraum 3212.
Das ewige Beobachten und Warten, dass etwas passiert, zerrte an ihren Nerven. Sie musste raus aus der Passivität – dieser Schwebezustand fing an ihr den Verstand zu rauben. Es fehlte ihr auch, einfach mal wieder richtig abrocken zu können.

Sie lief in ihrer Wabe hin und her, und kam sich selbst vor, wie ein im Zoo gefangener Tiger in einem viel zu engen Käfig. So hatte sie es zumindest in einem der Filme über die Vorzeit gesehen. Zum Energieverschwender nochmal – was die Menschen damals alles getan hatten war wirklich verabscheuenswert. Hatte sich daran wirklich etwas geändert? Sie schüttelte ihre Locken – jetzt nur nicht ablenken lassen…
Die wichtigere Frage war wohl: Was trieb JW00 im Technikraum? Welche Informationen hoffte er dort zu bekommen? Ha, das war’s – Informationen. Dort musste es Zugang zu irgendwelche Daten geben, die den Energie-Inspektor JW00 scheinbar sehr interessierten.

Sie würde wohl morgen ihre neue Informationsquelle anzapfen müssen. Der Herr, der die Daten kontrollierte, würde ihr sicher weiterhelfen können!

 

to be continued – release date of part 5 probably sometetimes around December the 9th in the grey year of 2012

Earth 3.1 “Die andere Seite” – Teil 3

Zum besseren Verständnis dieser Geschichte kann es beitragen, wenn du Teil eins bis vier von Earth 3.0 sowie Teil 1und 2  von Earth 3.1 gelesen hast – zu finden unter Kategorien “Renaldos Welt”. Viel Vergnügen!

 

Teil 3

Wir finden uns ausgerechnet jetzt in einer ethischen Hilfslosigkeit wieder, wenn wir zu ersten Mal mit dem Äußersten, dem irreversiblen Zusammenbruch des Lebenssystems der Erde, konfrontiert werden. Unsere ethischen Traditionen befassen sich zwar auch mit dem Suizid, dem Homizid und dem Genozid, versagen aber angesichts des drohenden Biozids, der Auslöschung der sehr störanfälligen Lebenssysteme der Erde, sowie vor einem möglichen Geozid, der Vernichtung der Erde selbst.
Wir stehen vor vollkommen neuen Problemen. Um diese vollkommen zu verstehen, müssen wir einsehen, dass sich der Missbrauch unserer wissenschaftlich-technischen Macht letztlich nicht aus der wissenschaftlichen Tradition selbst ergibt, obwohl der Vorwurf sich gewöhnlich allein gegen den Eingriff der empirischen Forschung in den Funktionszusammenhang der Natur richtet. Letztlich gehen die Gefahr und der Missbrauch auf die Defizite der spirituellen und humanistischen Traditionen der westlichen Kulturgeschichte zurück. Diesen Traditionen selbst wohnt der Drang zur Entfremdung des Menschen von der Natur inne. Sowohl unsere religiösen als auch unsere humanistischen Traditionen dienen primär der anthropozentrischen (Selbst-)Erhebung des Menschen.“

(Thomas Berry, „Das Wilde und das Heilige“ 1998 „Kapitel 15 „Die Wege der Zukunft“)

Die Energie-Inspektorin AL00 schloss den Schirm. Diesmal hatte sie die Worte des großen Thomas Berry benutzt um mit seiner tiefen Wahrheit den Tag zu beenden. Ihr war bewusst, dass mit den Folgen des angekündigten Biozids jetzt alle Lebewesen zu kämpfen haben. Das Leben der Verursachergattung Mensch hatte sich ganz besonders drastisch geändert. Im Gegensatz zu vielen anderen Gattungen hatte der Mensch zumindest überlebt. Doch um welchen Preis, das Paradies hatte sich in eine Beinahe-Hölle verwandelt, die die Menschen unter die Erde und unter das Wasser gezwungen hatte. Und war das Leben nicht auch freudlos geworden? Wenn die Geburtenrate ein Indikator dafür ist, dann auf jeden Fall. Da half es auch nicht, dass die Menschheit sich vom rücksichtslosen Zerstörer zum vermeintlichen Bewahrer gewandelt hatte und dabei so verbissen war, dass sie immer wieder über das Ziel hinaus schoss. Der Widerspruch zwischen dem, was sie und alle andern lebten und dem was als die wahre Lehre betrachtet wurde, nagte immer stärker an ihr, je mehr sie die Schriften studierte und je mehr sie…, nein, da wollte sie jetzt auf keinen Fall darüber nachdenken…
Nicht heute, wo sie den größten Teil des Tages damit verbracht hatte einem, zugegebenerweise dubiosen, Kollegen hinterher zu spionieren.

Das hatte jedoch nicht den archaischen Genuss getrübt, den sie empfunden hatte, beim abendlichen Gruppentreffen. Sie konnte die Musik fast noch körperlich spüren, die mit ihrer elektrischen Energie jede Faser ihres Körpers zum Schwingen gebracht hatte und ihr Emotionen und Visionen ermöglichte, die sie vorher schlicht nicht gekannt hatte. Das war doch die Magie, das Wilde und das Heilige, von dem Thomas Berry geschrieben hatte, vielleicht das Letzte, was davon noch übrig war? Was sollte denn daran Schlechtes sein?
Vielleicht war sie doch nicht so gut geeignet für den Job bei der Energiebehörde? Mit diesen Gedanken lag sie lange wach, bevor sie endlich einschlief.

 

Am folgenden Tag war AL00 besonders freundlich gestimmt, obwohl sie deutlich früher aufgestanden war als sonst. Doch nach den schrecklichen Träumen hatte sie beschlossen heute ihr Bestes zu geben, um vielleicht doch die eine oder andere Information heraus zu kitzeln, zuerst aus dem zynischen Energiewächter und später aus dem Hauptobjekt ihres aktuellen Auftrags, dem unnahbaren und eigenbrötlerischen Kollegen, der sie wie Luft behandelte. Sie beschloss ihm zu zeigen, wie dick Luft sein kann, nämlich so dick, dass sie sichtbar würde und undurchdringlich!

 

Daher verbrachte sie ein paar Minuten länger als sonst in der Nasszelle und verpasste ihren unbezwingbaren Locken die Idee einer Form und schminkte sich ihre Augen, um ihnen noch mehr Tiefe und Ausdruck zu geben. Sie warf ihrem Spiegel einen verwegenen, herausfordernden und, wie sie meinte, sinnlichen Blick zu, musste selber darüber lachen und lächelte immer noch, als sie sich auf dem Driveway in das Transportband einhängte.

 

Wenig später betrat sie beschwingt und voller Elan die Energiebehörde durch den Seiteneingang, der für das Personal bestimmt war.
Dort wäre sie beinahe über eine, im Halbdunkel des Eingangs am Boden kauernde Person gestolpert.
Eine wohlbekannte Stimme fuhr sie an: „He, halt und immer schön langsam, sonst trittst du mir noch was kaputt hier.“
Als ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten sah sie JW00, wie er auf Knien die Einzelteile eines Dekoders in Windeseile aufklaubte und in seiner Jacke verschwinden ließ.
Ganz offensichtlich wollte er nicht, dass AL00 sehen konnte was hier vor sich ging, denn er schaute sie nicht mal an, erhob sich und verschwand in Richtung Parkplatz und Driveway.
Die passenden Worte, die ihr sowie nicht eingefallen wären, hinunterschluckend, drehte sie sich, leicht verwirrt aber um eine Erkenntnis reicher, um und stieg die Treppe hinauf.
Das war ganz eindeutig kein Standard-Dekoder gewesen, was sie da am Boden gelegen hatte und das erklärte Einiges. Außerdem hob es den Herrn JW00 und seine Methoden ein bisschen aus dem Bodennebel heraus, mit dem er sich und seine Arbeit so gerne umgab.
Der glaubte doch nicht wirklich, dass sie so blöd sei und nicht wusste, was sie da eben gesehen hatte.

Das Lächeln von vorhin kam zurück in ihr Gesicht und hielt sich dort, als die Schiebetür des Vorraums aufglitt und sie die fünf Schritte in den Kontrollraum zurücklegte.

Es hielt sich immer noch, als sie den Wächter leise schnarchend, in seinem Sessel hängend, antraf. Sie stuppste ihn kurz an und als er nicht reagierte, stuppste sie auch mit dem Zeigefinger auf dem Schirm zuerst das Symbol des Dienstplans an und dann JW00. Doch noch bevor die erste Information am Schirm erschien, hörte sie plötzlich auf zu Lächeln, denn irgendetwas hatte sie ziemlich nachdrücklich am Arm gepackt und zog sie zurück.

Was machst du da schon wieder?“ fragte er mit vom Schlaf rauher Stimme. „Interessierst du dich immer noch für JW00? Hat er dir nicht deutlich genug zu verstehen gegeben, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern sollst?“
AL00 riss sich verärgert los, bekam sich aber sofort wieder in den Griff und lächelte den Wächter mit großen Augen an.
„Stimmt!“ sagte sie, „es ärgert mich einfach, dass er mich ständig ignoriert, dabei mag ich ihn eigentlich recht gern und ich könnte bestimmt viel von ihm lernen, was diesen Job hier betrifft. Deshalb interessiert es mich auch, was er gerade macht und wie lange er schon mit seinem Fall beschäftigt ist. Für mich wäre es eine tolle Gelegenheit, wenn ich ihm helfen könnte seinen Fall zu lösen. Vielleicht merkt er dann, dass er mich unterschätzt.“ Sie blickte ihn mit großen Augen und trotzigen Lippen an.
„Und warum fragst du mich nicht einfach? Was hier passiert ist doch kein Geheimnis, oder?“

Jetzt war es wieder da, das Lächeln, gewinnender als je zuvor! Wie hatte sie sich nur so täuschen können. Der Energiewächter war scheinbar ein richtig netter Kerl und nach 15 Minuten anregender Unterhaltung, zwar mit einigen weniger ergiebigen Umwegen über die anstrengende und meistens stinklangweilige Aufgabe des Energiewächters, für die er im Übrigen viel zu wenig Anerkennung erhielt, verließ sie die Behörde mit allen gewünschten Informationen im Gepäck und mit einem sehr zufriedenen Dauerlächeln im Gesicht.

Was konnte an so einem Tag noch schief gehen?

Earth 3.1 „Die andere Seite“ – Teil 2

Zum besseren Verständnis dieser Geschichte kann es beitragen, wenn du Teil eins bis vier von Earth 3.0 sowie Teil 1 von Earth 3.1 gelesen hast – zu finden unter Kategorien „Renaldos Welt“. Viel Vergnügen!


 

Es gibt eine grundlegende Differenz zwischen physischer und psychischer Energie. Physische Energie vermindert sich durch ihren Gebrauch. Wird sie oft in Anspruch genommen, bleiben wir mit lebloser Materie und Abfallprodukten zurück, die oft genug schädlich für den Lebensprozess sind. Im Gegensatz dazu wachsen die psychischen Energien mit ihrer Anwendung und der Zahl derer, die an diesen Handlungen partizipieren. Materielle Dinge vermindern sich, je mehr Menschen sie teilen, während immaterielle Dinge mit der Anzahl der Menschen, die sie besitzen, zunehmen. Wenn ein Nahrungsmittel von vier Menschen geteilt wird, erhält jeder mehr davon, als wenn sich zehn Menschen mit derselben Menge Nahrung beschränken müssen. Verständnis, Freude, spirituelle Einsicht, Musik und Künste werden, wie auch immer im Einzelnen, gesteigert, wenn die Aufmerksamkeit für sie zunimmt, oder wenn sie von einer Person zu einer anderen weitergegeben werden. Ein völlig individuell bleibendes Gefühl entspricht nicht der menschlichen Seinsweise. Gefühle müssen geteilt werden. Durch dieses Teilen wächst ihre Resonanz, und ein erweiterter Horizont menschlicher Erfahrung wird geschaffen.“

(Thomas Berry, „Das Wilde und das Heilige“ 1998 „Kapitel 15 „Die Wege der Zukunft“)

 

AL00 hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und nur die Worte Thomas Berrys hatten sie, zumindest ein bisschen, getröstet. Woher sollen wir Menschen wissen, was richtig und was falsch ist, was kontraproduktiv für die Gemeinschaft oder was ihr nützt, wenn doch die wahren Worte der Lehre und die Bestimmungen und Gesetze der Ökodekade 2 nicht zusammenpassten – oder zumindest nicht so zusammenpassten, dass sie selbst den Sinn und den Zusammenhang verstehen konnte. Jedes für sich allein gesehen war verständlich und klar, doch schon durch einen einzigen Satz, gesprochen oder geschrieben, relativierte sich schon wieder das Ganze.

Was, zum Energieverschwender nochmal, hatte JW00 im Sektor 3212 zu schaffen und was wollte er dort herausfinden? Aber vielleicht bearbeitete er ja nur einen ganz normalen Einspeisungsrückstand, einen Routinefall also, wie die meisten aller Fälle, und dann musste sie sich überhaupt keine Gedanken machen. Zum Glück gab es nur sehr wenige Menschen, die ihren Beitrag zur Energiegewinnung in den „Tretmühlen“, nicht zuverlässig leisteten und damit zu Fällen für die Energie-Inspektoren wurden.

 

Sei es drum, heute würde sie JW00 wohl beschatten müssen, wie sonst sollte sie herausfinden was der den ganzen Tag so trieb und ob er sich dabei an die Vorschriften hielt.

 

JW00 schien keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Er bewegte sich gleichmäßig auf dem Driveway und es war ihr ein Leichtes an ihm dran zu bleiben. Auch blickte er sich kein einziges mal um – er schien nicht auf die Idee zu kommen, dass ihn jemand verfolgen könnte. Es war fast ein bisschen langweilig und ihre Aufmerksamkeit begann schon nach zu lassen, als JW00 plötzlich abbog und in einer Seitenstraße verschwand. AL00 hatte überhaupt nicht mitbekommen wie er sich aus der Führungsschiene ausgeklinkt hatte. Nun musste sie bis zur nächsten Abzweigung warten bevor sie selbst den Driveway verlassen konnte. Mist, warum hatte sie sich nur einlullen lassen, vom billigsten aller Tricks?

JW00 war lange vor dem eigentlichen Ziel von der Hauptroute abgewichen. Doch vielleicht wollte er ja gar nicht zum Sektor 3212? AL00 merkte, dass ihr Kopf voller ungeklärter Fragen und Gefühle war, die sie vom konzentrierten Arbeiten abhielten.

Es war wohl etwas dran an der Regel, die Ermittlung abzugeben, wenn man persönlich in einen Fall involviert war.

Letzteres hing allerdings davon ab in welchem Fall JW00 tatsächlich ermittelte?
„Verdammt“, dachte sie, „jetzt geht das in meinem Kopf schon wieder los“. Sie verließ den Driveway und bewegte sich auf das nächste Navi zu, das sich wie erwartet an der Kreuzung befand. Dort ließ sie sich den kürzesten Weg zum Sektor 3212 auf das Display ihres Fahrrades legen. Sie war willens ihren Fehler wieder auszugleichen. Vorausgesetzt JW00 hatte das gleiche Ziel wie sie, dann hatte sie die Chance vor ihm dort zu sein und ihn zu erwarten.

Die Wohnwabe mit der Bezeichnung 3212 war ihr wohlbekannt. Es gab dort zwei Eingänge – sie verbarg sich im Haupteingang, denn sie hielt es für wahrscheinlich, dass JW00 genau dort auftauchen würde. Käme er aus einem der Gänge dann würde sie ihn rechtzeitig entdecken und könnte sich im Keller verbergen. Den zweiten Eingang zog sie gar nicht in Erwägung, er war als Serviceeingang den Fachleuten vorbehalten.

Viel Zeit zum Nachdenken ließ ihr JW00 nicht. Sie hatte serade ihren Platz bezogen, als er um die Ecke segelte. Er stellte das Rad ab, blickte sich kurz um und verschwand im Tunnel Richtung Serviceeingang. Nun musste sie sich beeilen, AL00 rannte los. Sie wollte auf keinen Fall riskieren ihn nochmal zu verlieren. Vorsichtig blickte sie mit einem halben Auge um die Ecke. JW00 holte gerade einen Dekoder aus der Jacke mit dem er den Service-Eingang öffnete und im Haus verschwand. Wo, zum Energieverschwender nochmal, hatte dieser Kerl einen Dekoder für den Service-Eingang her?

In Situationen wie dieser hatte man als Verfolgerin nur eine Chance: Sie musste die Tür erwischen, bevor sie zufiel, musste durchschlüpfen und dafür sorgen, dass das Schließgeräusch noch rechtzeitig erklang und sie musste darauf hoffen, dass JW00 nicht direkt hinter der Tür im Gang auf sie wartete.

Alle fünf Wünsche gingen in Erfüllung, doch damit war ihr Kontingent erschöpft. Sie sah zwar noch, wie JW00 um die Ecke bog, doch als sie ebendiese Ecke erreichte war der Energie-Inspektor wie vom Erdboden verschluckt.
Sie fluchte innerlich über ihr Ungeschick und verfluchte JW00 weil er so unberechenbar war. Doch gab es nichts, das sie jetzt noch tun konnte.

 

Zwei Parallelgänge weiter, vorbei an der Tretmühle, in der die Bewohner der Wabe ihre Energieeinspeisung erledigten, befand sich der geheime Zugang zu dem Raum in dem sich ihre geheime Gruppe jetzt und heute traf.

Diese Gruppe war das, was ihr Gewissen ständig auf die Probe stellte. Einerseits illegal – andererseits spürte sie den Geist Thomas Berrys nirgendwo so deutlich als in dieser Gemeinschaft.

Wenn ich schon mal da bin, dann kann ich auch gleich zur Probe gehen, dachte sie sich. Sie musste ohnehin eine Warnung abgeben. Zumindest RW00 sollte darüber informiert sein, dass die Energiebehörde möglicherweise etwas bemerkt hatte und dass einer der gefürchtesteten Inspektoren hier herumschnüffelte.

 

Fortsetzung folgt!

Earth 3.1 „Die andere Seite“ – Teil 1

Zum besseren Verständnis dieser Geschichte kann es beitragen, wenn du Teil eins bis vier von Earth 3.0 gelesen hast – zu finden unter Kategorien „Renaldos Welt“

Das menschliche Abenteuer beruht zur Gänze auf der Ehrfurcht vor der Erde, auf ihrer Verehrung und der Freude an ihr sowie an allem, was lebt und aus der Erde hervor wächst. Sobald wir uns von den Lebensvorgängen und der tiefen, geerdeten Stimmung, die sie uns vermitteln, abtrennen, sind die wesentlichen Grundlagen unserer Zufriedenheit mit dem Leben geschwächt. Keines unserer von Maschinen gefertigten Produkte, kein computergeneriertes Erzeugnis kann jene völlige Zustimmung zum Leben aus den Tiefen unseres Unterbewusstseins hervorbringen, die wir brauchen, um die Erde zu erhalten und uns selbst, sowie die integrale Erdgemeinschaft in die gefahrvolle Zukunft zu führen.“
(Thomas Berry, Kapitel 15 „Die Wege der Zukunft“)

Die Energieinspektorin AL00 seufzte tief und schloss den Schirm. Ihre tägliche Lektüre der Schriften des großen Thomas Berry gab ihr, wie immer, dieses wunderbare Gefühl Teil eines großen Ganzen zu sein – Teil der Gemeinschaft der überlebenden Menschen in der Ökodekade 02, die den vermeintlichen Fortschritt der Staaten der Vorgeschichte, also den konsequenten Raubbau aller Ressourcen und die Zerstörung der Natur, endlich hinter sich gelassen hatte.

Allerdings war es jetzt an der Zeit sich auf den Weg in die Arbeit zu machen. Sie rannte die Treppen von ihrer Wohnwabe im 13. Stockwerk der dritten unterirdischen Ebene herunter bis auf den „Driveway“ und griff nach einem der bereitstehenden Fahrräder. Wie die meisten Menschen war sie blass vom Mangel an Sonnenlicht aber schlank und durchtrainiert, von den zahlreichen Bewegungsübungen des Alltags.

Nach wenigen Kilometern bog sie ab in einen der vielen kleineren Gänge, die das Stadtbild im Osten der Siedlung 3 so eindringlich prägten. Wer sich hier nicht auskannte, war auf die Hilfe der Navis angewiesen, die es mittlerweile an jeder zweiten Ecke gab.
AL00 strich sich eine ihrer widerspenstigen dunklen Locken aus dem Gesicht und stürmte entschlossen durch den Eingang zur Energieaufsichtsbehörde. Sie war ausgeruht und beseelt von dem Willen einen weiteren Tag ihres Lebens gemäß der Lehren Thomas Berrys im Dienste der Gemeinschaft zu verbringen.

 

Als sie am Energiewächter vorbeiging, der die sich ständig aktualisierenden Anzeigen der Screens beobachtete, nuschelte dieser, unfreundlich wie immer, „du sollst zum Chef und zwar sofort“! Ohne, dass er sie auch nur eines Blickes gewürdigt hätte, drückte er weiter auf seinen Knöpfen herum um zwischen verschiedenen Ansichten hin und her zu schalten. AL00 stemmte die Hände in die Hüften und hätte sich beinahe dazu hinreißen lassen ein „Danke für den freundlichen Morgengruß“ an den Rücken des Wächters zu richten, stattdessen stampfte sie unhörbar mit dem Fuß auf und ging weiter in Richtung des Büros des Chefs vom Dienst.

Fünf Minuten später hatte sie einen neuen Auftrag, der ihr absolut nicht gefiel – einerseits. Andererseits – konnte die Sache durchaus interessant werden, wenn sie sich an die Fersen des Eigenbrötlers dieser Schicht heften würde, der, obwohl er stets alleine ermittelte, beeindruckend viele Fälle in rekordverdächtig kurzer Zeit löste.
Außerdem gehörte er zu der sehr kleinen Gruppe von Mitarbeitern der Behörde, die ihr nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die ihr von allen anderen Mitarbeitern auf Grund ihres freundlichen Wesens und ihres, wahrscheinlich noch freundlicheren Aussehens, zuteil wurde.

Genau genommen bestand diese Gruppe exakt aus zwei Personen, nämlich dem Wächter, der sie konsequent ignorierte und dem Energie-Inspektor JW00, der sie abwechselnd ignorierte oder damit aufzog, dass sie wohl nur wegen ihres Aussehens Jahrgangsbeste geworden und folglich zu unrecht direkt zur aktiven Energie-Inspektorin befördert worden sei. Das wäre aber sowieso egal, da sie ohne jegliche praktische Erfahrung wohl ohnehin nicht länger als ein paar armselige Monate in der exekutiven Abteilung überleben würde.

 

So wäre es ihr wohl auch ergangen, hätte nicht ausgerechnet besagter JW00 ihr den entscheidenden Tipp gegeben, mit dem es ihr nach wochenlangen vergeblichen Ermittlungen doch noch gelungen war zumindest ihren dritten Fall zu lösen.

 

Ihre Freude bekam damals allerdings einen gehörigen Dämpfer, als sie sich mit einem kleinen Geschenk und ihrem bezaubernden Lächeln bei ihm bedanken wollte. Er hatte nur mit der Schulter gezuckt und während er sich an ihr vorbei schob irgend etwas gemurmelt, das so ähnlich geklungen hatte wie: „Kann sein, dass ich einen Fehler gemacht habe.“

 

Seither war sie ihm lieber aus dem Weg gegangen, so wie es alle anderen auch taten. Allerdings beteiligte sie sich nicht an dem Getuschel über ihn, das hinter seinem Rücken stattfand – sollte er doch machen was er wollte, so lange er sie dabei nur in Ruhe ließ.

 

Sie setzte sich an einen freien Schirm und loggte sich ein um ihren Auftrag zu erfüllen. Wenn sich der Verdacht des Chefs bestätigen würde, dass JW00 unsauber war, dann würde sie ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, abservieren. Wer der Gemeinschaft nicht diente, musste gemeldet werden, damit er an einem Umerziehungsprogramm, im schlimmsten Fall an der Oberfläche, teilnehmen konnte und so zu einem wertvollen Teil der Gemeinschaft gewandelt würde.

Sie rief den Dienstplan und die aktuellen Berichte von JW00 auf. Sie war nicht überrascht, dass sie nichts fand, denn er war bekannt dafür, seine Fälle so schnell zu lösen, dass er keine Zwischenberichte schreiben musste.

Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als den Energiewächter zu fragen, an welchem Fall JW00 gerade arbeitete. Wie unangenehm!
Als sie in den Überwachungsraum kam, war der Wächter allerdings gar nicht da – was für eine wunderbare Gelegenheit! Er hatte das Interface nicht mal deaktiviert und so konnte sie einfach eine Standardsuche starten. Sie sagte: “Zeige alle aktuellen Fälle und wer sie bearbeitet.“

Am Screen erschien blitzschnell eine Liste und sofort hatte sie JW00 entdeckt und den dazugehörigen Fall: „Sektor 3212“.

 

Als der Wächter von der Toilette zurück kam, sah er wie eine sehr bleiche und scheinbar völlig verstörte Energie-Inspektorin AL00 sich vom Schirm abwandte und ohne ein Wort den Raum verließ.

Fortsetzung folgt

Earth 3.0 – Teil 3

Lies zum besseren Verständnis zuerst Teil 1 und Teil 2!

JW00 war ein Energieinspektor der Ökodekade II. Die beiden Nullen hinter seinen Initialen wiesen darauf hin, dass er schon in der Vorzeit, also vor dem großen Öl-Desaster, auf dieser Welt existiert hatte. Das Leben der Vorzeit war gekennzeichnet von ungebremstem ökologischen Raubbau. Die unwissenden Vorfahren hatten angenommen, dass die Schätze der Erde ausschließlich für sie da seien.
Einige wenige ahnten zwar, dass dies ein fataler Trugschluss war, doch ihre Mahnungen blieben ohne Wirkung. Zu groß war die Macht der Konzerne, zu unbedeutend letztendlich der Widerstand. Das Ende war also vorprogrammiert, kam allerdings viel schneller als erwartet. Der Nordpol begann in viel rasanterem Tempo zu schmelzen als es die Wissenschaftler berechnet hatten. Und dann begannen die finalen Ölkriege.

Die immer noch zahlreichen Überlebenden mussten nun eine immense Anpassungsleistung erbringen. Der Umzug unter die Erde und unter die vor dem UV-Licht schützende Oberfläche der sich ausbreitenden Ozeane war körperlich und psychisch nur schwer zu verkraften. Die erste Regierung der weltweiten Ökoföderation ließ daher, in einem mit unbeschreiblichen Aufwand verbundenem Akt der Massenhypnose, alle Erinnerungen an das Leben an der Oberfläche, das nicht nur wegen der ungebremsten UV-Strahlung nicht mehr möglich war, löschen.

Alles Wissen über die Vorzeit, das JW00 also mit sich trug, hatte er in seiner Studienzeit der Katastrophenlehre erworben, das im Wesentlichen auf den Lehren des großen Thomas Berry (Thomas Berry bei Wikipedia) beruhte. JW00 hatte schließlich das Studium nicht abgeschlossen, merkte aber immer wieder, wie schon die wenigen Semester ihm dabei halfen, die vielen rigiden Gesetze zu verstehen, die zum Überleben nötig waren und die er als Energieinspektor durchzusetzen hatte. 

Also runter in die Katakomben zu den riesigen Akkus. Um die Tür zur Service-Treppe zu öffnen, musste er seinen Universaldekoder nicht benutzen; es reichte der normale Standarddekoder, denn die Katakomben waren für Energieinspektoren frei zugänglich.
Leises elektrisches Summen und ein vibrierender Boden begrüßten ihn und lösten das Glücksgefühl aus, das die Nähe großer Energiemengen den Menschen in der Ökodekade II verschaffte.

Anhand des Serviceplans, den der Wächter ihm gegeben hatte, fand er schnell die beiden Energietanks, die den Alarm ausgelöst hatten. Nach dem, was oben gestrampelt worden war, müssten sie eigentlich randvoll sein, dachte JW00, doch die blinkende Warnanzeige log ganz bestimmt nicht. Ein Drittel unter dem Soll, bei voller Ladetätigkeit!
Er loggte sich ein und startete das Testprogramm. Nach wenigen Sekunden kam die Bestätigung: Die Akkus waren völlig intakt, aber irgendetwas, oder besser: irgendwer, hatte ihnen eine Menge Energie abgezweigt.

 

RW00 lag zufrieden und erschöpft und dabei gleichzeitig irgendwie aufgedreht auf seinem Sofa. Er hatte einen langen Tag hinter sich, den er in der Tretmühle begonnen und an seiner Arbeitsstelle in den Algenplantagen fortgesetzt hatte. Das war seine immerwährende tägliche Routine, doch der Unterschied war, dass er den heutigen Tag mit einem emotionalen Höhepunkt beendet hatte, der ihm ein immer noch anhaltendes Glücksgefühl bescherte. Dieses Glücksgefühl würde er nun bis zum Einschlafen auskosten.

Er hielt die Augen geschlossen und genoß das Klingen in seinen Ohren, als wäre es eine psychodelische Droge aus der Vorzeit. RW00 wäre bestimmt glücklich und zufrieden in den Schlaf geglitten, doch das unüberhörbare Quäken der Türglocke, begleitet von lautem Hämmern, verhinderte dies, sehr zu seinem Leidwesen.

Wird aber Zeit, dass du aufmachst, ich war drauf und dran die Tür aufzubrechen“ mit diesen freundlichen Worten betrat JW00 die Wabe. „Nachdem ihr jetzt eh alle aufgeflogen seid, will ich von dir nur noch ein lückenloses Geständnis, bevor du ins Straflager an die Oberfläche wanderst“
„Jetzt mach erstmal langsam, lass dich in den Sessel fallen und ich mach dir ein Vitaminwasser warm“, antwortete RW00 völlig unbeeindruckt. „Bist du eigentlich dienstlich hier oder privat?“

Beides“ presste JW00 ärgerlich hervor, ließ sich aber dennoch wie befohlen auf dem Sessel nieder. „Wie erklärst du mir, dass du dich plötzlich zum Energie-Supererzeuger entwickelt hast, einen großen Teil deiner Freizeit in den Tretmühlen verbringst, lange nach Dienstschluss nach Hause kommst und mit dir fast die ganze Etage deiner Wohneinheit?“
„Gar nicht“ kam prompt die lakonische Antwort, „was geht dich das an, was ich in meiner spärlichen Freizeit mache?“
JW00 wurde langsam wütend: „Vielleicht geht es mich aber etwas an, dass die Energietanks eurer Tretmühle halb leer sind, obwohl die saubere Belegschaft dieses Stockwerks und noch ein paar Vögel aus anderen seit Wochen in der Tretmühlen strampeln wie die Verrückten?“
RW00 wurde blass um die Lippen und drehte sich schnell rüber zur Küchenzeile, auf der das Vitaminwasser bereits dampfte.
Der Energieinspektor JW00 kannte seinen Bruder allerdings gut genug um zu wissen, dass er soeben einen Treffer gelandet hatte. RW00 wusste etwas, war vielleicht, ach, was heißt vielleicht, war ganz bestimmt in diese Sache verwickelt.

JW00 sah das glasklar vor seinem geistigen Auge. Allerdings wusste er auch, dass RW00 jetzt freiwillig keine weiteren Informationen mehr herausgeben würde.

To be continued…